Warum klettern? Eine persönliche Randnotiz
Jeder und jede kennt sehr wahrscheinlich folgende Sätze bereits, oder wird mit der Zeit damit konfrontiert;
Klettern macht stark. Nicht nur der Körper wird trainiert, sondern auch die kleinen grauen Zellen werden bei den Kraxelbewegungen beansprucht. Das weiss jeder und jede Person, die sich mit dem Klettersport beschäftigt. Ein Sport, der sich in vielen Variationen ausleben und geniessen lässt.
Die positiven Aspekte werden dabei von allen Bereichen geteilt: Frische Luft, Sonne, Bewegung, der Soziale Umgang miteinander, um nur ein paar zu nennen.
Die Ziele beim Klettersport sind dabei bei vielen sehr unterschiedlich. Es gibt diejenigen, die etwas erreichen wollen. Die persönlichen Grenzen ausloten oder erweitern, könnte man auch sagen. Wiederum gibt es solche, die das Erlebnis suchen. Oder Genuss oder Adrenalin. Oder den Ruhm im Bekanntenkreis oder Instagram. Oder das komplett Paket aus wandern-klettern-Bier beim Sonnenuntergang… alles so unglaublich facettenreich, man kann dabei nie alle Bewegründe komplett erfassen, was aber auch gar nicht nötig ist. Man hat Ziele und Richtungen im Leben, auf das kommt es an. Gerade in den heutigen Zeiten braucht es diese Dinge, meiner Meinung nach.
Umso mehr möchte ich hier gerne eine Erfahrung aus meiner momentanen Kletterreise teilen, die für mich ein weiterer, sehr spannender Aspekt des Kletterns bereithält und mich immer wieder faszinieren lässt.
Egal in welchem Land ich und meine Freundin an eine Wand laufen, Kletterer trifft man eigentlich immer und überall. Manchmal mehr, manchmal weniger.
Man trifft junge Kletterer/innen beim Projektieren in Höhlen, die wie Spinnen, in 30m Höhe und in einer Länge von 20m ihre 8er Grade abspulen. Lokalmatadoren, die im tänzerischen Stil eine von Adam Ondra erstellte Route im 9a+ Bereich erklimmen. Ausdauerkletterer, die unglaubliche Höhen erreichen, ohne merkliche Pause und ohne Sturzangst. Pärchen, die ihre ersten Kletterversuche draussen am Fels wagen und streiten wie verheiratete. Verheiratete, die wahrscheinlich schon 20 Jahre zusammen klettern und sich streiten wie Teenager… So gerne ich auch klettere, ich schaue anderen auch gerne dabei zu. Lernen tut man immer was.
Was mich aber wirklich fasziniert, sind diejenigen, die neben mir eine Sportkletteroute angehen, sauber und ohne merkliche Schwierigkeiten dabei, immer mit einem Lächeln im Gesicht. Level im oberen 6er, 7er, 8er… Und fast doppelt so alt sind wie ich (ich bin 35, nebenbei).
Nein, das ist kein Witz. Wie ist das möglich, denke ich jedes Mal, wenn ich so etwas erlebe. Dass zum Beispiel die 63-Jährige Kletterin neben mir eine 7b stürmt, die Crux dabei so souverän meistert als wäre es keine und nicht ein einziges Mal laut flucht? Ich, der Muskelbepackte Hulk, grün im Gesicht bei Boulderzügen im Überhang und Sie, die leichte Balerina, zwar schlank, aber nicht mit den Muskelsträngen am Rücken wie andere, die in diesem Grad unterwegs sind?
Mir ist klar, ich muss mir mit meinen beinahe 5 Jahren Erfahrung im Klettern nicht einbilden, solche Personen ebenbürtig zu sein. Und doch zähle ich mich zu den jungen oder leicht-jungen, durchtrainiert, mental Fit. Ich klettere als süchtiger und ehrgeizige Person derzeit 5x in der Woche, halte meine Pausen im Grossen und Ganzen. Es gibt Tage, da klettert man dabei eine 7c+ mit nur einer Pause, geht danach an die nächste 7b etc… und es gibt die Tage, an denen sich eine 6er anfühlt wie eine 7er. Ihr wisst, was ich meine ;-). Und doch klettert die ältere Frau neben mir wie eine junge Göttin. Sowas sollte doch verboten sein.
Ich habe letzthin von einem Schweizer gelesen, der mit seinen 96 Jahren noch eine 6a klettert. Er trainierte regelmässig noch 3-mal in der Woche, je 1 Stunde lang. Boah, denke ich mir. Hut ab und meinen Respekt, ehrlich. Dieser Kletterer sei eine sehr positiv eingestellte Person, die viel Lacht.
Ich treffe viele solche Menschen. Das Gesetz, je jünger man einen Sport auslebt, desto mehr Leistung wird erbracht, gilt für mich in der Vertikalen nur bedingt. Ja ist klar, der Megos, der Ondra oder Shauna Coxsey sind jung, talentiert und vollbringen unglaubliches. Ein älterer Kletterer, egal wie durchtrainiert, wird solche wunder eher weniger abrufen. Auch hier gibt es sicher ausnahmen. Auch kann man diskutieren, was Leistungen im höheren Alter bedeutet, ist jetzt aber nicht wichtig.
Die älteren Semester (ich nenne sie die jung gebliebenen), die ich angetroffen habe, hatten alle etwas gemeinsam; das Lächeln im Gesicht. Die pure Freude in den Augen, wenn sie den Fels nur schon von unten begutachten. Die Offenheit und Freundlichkeit jedem Gegenüber, der mit ihm/ihr ins Gespräch kommt. Die Hilfsbereitschaft. Es ist Ihnen egal, was Du kletterst. Wichtig ist, dass Du kletterst, es versuchst, Freude hast beim Erreichen des Tops, Freude hast an der Kletterei selbst (das Top zu erreichen kann auch zweitrangig sein). Das macht für mich das klettern zu meinem Sport. Nicht an erster Stelle, ich bin da noch zu Leistungsorientiert, gebe ich ehrlich zu. Aber es ist ein wesentlicher, positiver Punkt, der hoch gewichtet werden sollte. Die Verbindung von Jung und Alt, Erfahrenen und Anfänger, sportlichen oder unsportlichen.
Ich hoffe, ich werde mit 60 auch noch in einem höheren Grad klettern können. Oder mit 80 Jahren noch eine 6er. Wenn ich ehrlich bin, hoffe ich, dass ich überhaupt noch Sport machen kann mit 80, denn gesund zu altern ist nicht selbstverständlich. Was mir aber die Erfahrung mit diesen jung gebliebenen Athleten (und das sind sie) gezeigt hat, ist einfach erklärt; Lache viel, nimm es locker, verliere nicht den Mut, wenn etwas nicht klappt. Setze dir Ziele, Leistungsorientiert messbar oder nicht, ist doch völlig egal. Denn so wie es aussieht, wird dir mit den Jahren doppelt und dreifach zurückgezahlt.
Ich entschuldige mich für die Rechtschreibung :-D.
Euch allen eine gute Zeit!